Der Skandal der Mitarbeiterbefragungen: Warum Ihre Daten nichts verändern

Worauf Sie bei einer Mitarbeiterbefragung unbedingt achten sollten

Eine 200-Seiten Analyse zeigt, warum klassische Befragungen systematisch versagen

Vor mir liegt ein 200-seitiger Auswertungsbericht einer Gesundheitsumfrage (inkl. psychischer Gefährdungsanalyse). Gefühlt tausende von Excel-Diagrammen, wissenschaftlich anmutende Statistiken, detaillierte Handlungsempfehlungen. Auf den ersten Blick: beeindruckend professionell.

Auf den zweiten Blick: ein Lehrbuch für systematische Problemverdrängung.

Ein einfaches Beispiel entlarvt das System

Schauen wir uns nur eine einzige Frage an - Partizipation. Die war sogar positiv formuliert und ergab einen "unkritischen" Mittelwert. Laut Aussage des Anbieters sind nur 16 % unzufrieden und 47 % zufrieden.

Die Wahrheit: 37 % wurden glatt unter den Tisch gekehrt. Bei der Belastungseinstufung wurde es noch deutlicher. Die Analyse spricht nur von 26 belasteten Mitarbeitenden. Wenn man genau hinschaut, sind es 96! Menschen leiden unter zu wenig, zu viel oder inkonsistenter Mitbestimmung.

Übrigens: Von ursprünglich 209 Teilnehmern sind in der Belastungsbewertung zu diesem Punkt plötzlich nur noch 206 übrig. Drei Menschen sind stillschweigend verschwunden - ohne Erklärung, ohne Dokumentation. Bei einer "wissenschaftlichen" Analyse.

Die Empfehlung: Kein einziger Handlungsvorschlag geht darauf ein.

Stattdessen: Konfliktmanagement-Workshops, Changemanagement-Seminare, Führungskräfte-Trainings.

Interessant: Genau das, was der Anbieter zufällig im Portfolio hat.

Das Muster dahinter

Je tiefer ich grabe, desto klarer wird: Hier werden nicht Probleme gelöst, sondern Kurse und Workshops verkauft.

Die Illusion der Wissenschaftlichkeit

Aber das eigentliche Problem liegt tiefer im Bewertungssystem selbst.

"Trifft teilweise zu" wird als neutral, unkritisch eingestuft. Aber was bedeutet das wirklich? "Mal so, mal so", "Es hängt von der Laune meines Chefs ab", "Manchmal schon, aber..."

Das ist kein neutraler Zustand - das ist Frustration, verpackt in statistische Scheingenauigkeit.

Wenn 37 % mit “trifft teilweise zu” antworten, rechnet man es einfach zum "unkritischen" Mittelwert. Problem gelöst. Zumindest auf dem Papier.

Der wahre Skandal

Es geht nicht nur um schlechte Methodik. Es geht um interessengeleitete Manipulation der Dateninterpretation.

Das Geschäftsmodell: 200 Seiten "wissenschaftliche" Analyse wirken seriös, echte Strukturprobleme werden erkannt (zeigt Kompetenz), aber nur die Probleme werden "rot markiert", die man mit Standard-Workshops "lösen" kann.

Das Ergebnis: Eine 200-seitige Verkaufsbroschüre, getarnt als wissenschaftliche Analyse.

Das teure Versagen

Hier liegt das eigentliche Drama: Trotz 200 Seiten Analyse wurden die echten Belastungen nicht sauber herausgearbeitet. 96 Menschen mit Partizipationsproblemen bleiben mit ihren Problemen allein.

Das Risiko: Krankenzahlen steigen weiter, Fluktuation bleibt hoch, Motivation sinkt.

Dann wundert sich das Unternehmen: "Wir haben viel Geld für die Analyse ausgegeben, alle empfohlenen Kurse gemacht - warum wird es trotzdem nicht besser?"

Die Antwort: Weil die wahren Probleme nie angegangen wurden. Man hat Symptome behandelt statt Ursachen beseitigt.

Die 50.000-Euro-Frage

Aber hier wird es richtig absurd: Wozu überhaupt eine Umfrage?

Wenn das Endergebnis sowieso Konfliktmanagement, Changemanagement, Führungskräfte-Training und Rückenfit ist - warum nicht gleich anbieten? Das würde Unternehmen 50.000 Euro für die "Analyse" sparen und käme zum gleichen Ergebnis.

Die 200 Seiten dienen nur einem Zweck: Legitimation für Standard-Lösungen schaffen. "Wir haben wissenschaftlich bewiesen, dass Sie unsere Kurse brauchen."

"Aber wir brauchen doch die Gefährdungsbeurteilung!"

Moment. Niemand stellt die gesetzliche Verpflichtung zur psychischen Gefährdungsbeurteilung in Frage. Ob sie durchdacht ist, dazu ein anderes Mal mehr.

Die Frage ist: Muss sie so schlecht gemacht werden?

Das Arbeitsschutzgesetz schreibt vor, dass Belastungen ermittelt werden müssen. Es schreibt NICHT vor, dass dabei systematisch Probleme übersehen, Daten manipuliert oder am Ende immer dieselben Standard-Kurse verkauft werden müssen.

Gute Gefährdungsbeurteilungen sind möglich - sie sehen nur völlig anders aus.

Was wäre, wenn wir ehrlich wären?

Was wäre, wenn wir zugeben würden: "Trifft teilweise zu" bedeutet in der Realität: "Mal darf ich, mal nicht", "Es hängt von der Laune meines Chefs ab", "Meine Ideen verschwinden im Nichts."

Was wäre, wenn wir erkennen würden: Menschen sind unterschiedlich entwickelt. Gemeinschaftsbestimmte (Stufe 4) brauchen Gruppenkonsens und empfinden Partizipation als Stress. Eigenverantwortliche (Stufe 6) wollen echte Mitgestaltung. Rationalistische (Stufe 5) nur bei fachlicher Expertise. Relativierende (Stufe 7) verstehen, dass verschiedene Situationen verschiedene Partizipationsformen brauchen.

Was wäre, wenn wir aufhören würden, alle 209 Menschen gleich zu behandeln und dann statistisch wegzurechnen, warum ein Drittel unzufrieden ist?

Was wäre, wenn wir es besser machen würden?

Die Wahl

Unternehmen haben die Wahl: Investieren in 200-seitige Verkaufsbroschüren oder in echte Veränderung?

Was wäre, wenn wir aufhören würden, die Symptome zu schulen und anfangen, die Systeme zu heilen?

Was wäre, wenn Mitarbeiterumfragen ehrlich wären?

Dann hätten wir endlich Organisationen, in denen Menschen wirklich wachsen können - statt nur zu funktionieren.

Hier sind 3 Tipps, die Ihnen bei Ihrer Mitarbeiterumfrage helfen können

In einem gesonderten Leitfaden gebe ich nächste Woche 11 Praxistipps, wie Sie Mitarbeiterumfragen so gestalten, dass sie wirklich Veränderung bringen. Hier drei Dinge, die Sie sofort anders machen können:

  1. Prüfen Sie Ihre Anbieter
    Frage: Hat Ihr Umfrage-Anbieter eigene Trainings/Workshops im Portfolio? Falls ja: Vorsicht vor interessengeleiteten Empfehlungen.
  2. Hinterfragen Sie Mittelwerte
    "Trifft teilweise zu" ist kein neutrales Ergebnis - es signalisiert Unzufriedenheit. Schauen Sie sich die Verteilungen genau an, nicht nur die Durchschnitte.
  3. Stellen Sie konkrete Fragen
    Statt: "Ich kann bei Entscheidungen mitwirken" (1-5 Skala) Besser: "Nennen Sie drei Entscheidungen der letzten Monate, bei denen Sie mitgewirkt haben. Wie ist es Ihnen damit ergangen?"

Fazit

Wenn Sie noch eine standardisierte Mitarbeiterumfrage nutzen, dann empfehle ich Ihnen, sich einmal die Mühe zu machen. Kontrollieren Sie stichpunktartig, ob wirklich alle Belastungen erfasst wurden. Prüfen Sie, ob auch die Gesamtstichprobe stimmt. Fragen Sie sich, ob die Maßnahmen nicht einfach nur der übliche Standard sind, die der Anbieter vielleicht praktischerweise sogar schon im Programm hat. Vor allem aber empfehle ich Ihnen die Frage, ob Sie wirklich die Antworten erhalten haben, die Sie gerne gehabt hätten.

Bereit für echte Veränderung?

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