Kennen Sie das, Sie sind gerade in einer für Sie schwierigen Phase
und plötzlich zeigt Ihnen der Algorithmus lauter Posts, die Ihre
Ängste bestätigen?
Mir ist das passiert - arbeitslos mit über 50. Scheinbar aus dem
Nichts kamen lauter Posts, die mir direkt oder indirekt (als Anklage
an die Unternehmen) vermittelten, dass ich mit 50+ sofort
aussortiert werde (teilweise sogar von KI noch in derselben Nacht).
“Wow”, dachte ich, “die bestätigen genau das, was ich mir auch schon
die ganze Zeit gesagt habe. Ich hatte recht!”
Ich las immer mehr davon und was soll ich sagen,
- es machte mir Angst
- meine Verzweiflung wurde immer größer
- meine Selbstzweifel stiegen und
- mein Selbstwert sank so tief wie nie zuvor.
Was mir allerdings überhaupt nicht klar war:
- Diese Posts bekam ich deshalb zu sehen, weil ich sie anzog!
-
Sie spiegelten mir Ängste, die ich schon vor langer Zeit hatte -
nur in einem ganz anderen Kontext.
-
Sie riefen mich dazu auf, hinzusehen und in meinem Inneren diese
verdammt negativen Gefühle anzusehen.
-
Sie waren der Spiegel, in den ich schauen sollte, um mich zu
fragen: Stimmt das wirklich?
Wir begegnen alle immer wieder solchen Triggern oder Spiegeln, die
uns auf unsere Schatten hinweisen sollen, damit wir sie integrieren
können.
Trigger oder kein Trigger
Was für den einen Menschen ein Trigger ist, ist für den anderen
etwas positives oder sogar völlig uninteressantes (neutrales).
Was bedeutet “triggern”? Triggern ist zunächst einmal der
Fachausdruck für das Auslösen eines automatisch ablaufenden
psychischen Musters. Eine Situation, ein anderer Mensch, ein Post
löst automatisiert negative Gefühle, Gedanken und Reaktionen aus.
Das stresst und sorgt vor allem dafür, dass das Muster die Kontrolle
übernimmt.
Die in uns versteckten tiefen Glaubenssätze (siehe hier meinen
Blogartikel zu der Frage:
„Welche Glaubenssätze gibt es?“) haben Ängste, alte Verletzungen, den nicht vorhandenen Selbstwert
auf den Plan gerufen.
Es gibt auf der anderen Seite genug 50+, die ebenfalls ihren Job
verloren haben und mit voller Zuversicht für sich wissen, dass sie
wieder einen (besseren) Job bekommen werden. Bei diesen Menschen
lösen diese Artikel, wenn sie sie überhaupt angezeigt bekommen,
nichts aus und sie scrollen wahrscheinlich darüber hinweg, ohne
diesen wahrzunehmen.
Ein weiteres Beispiel:
Ein Vorgesetzter, der für einen Menschen “toxisch” ist, wird nie der
Vorgesetzte eines Menschen sein, der einen hohen Selbstwert hat und
seine Schatten kennt.
Alle, die sich als Opfer eines toxischen Menschen erleben, werden im
Algorithmus genau die Beiträge angezeigt bekommen, die über solche
Menschen herziehen und sich in ihrer Opferrolle bestätigt fühlen.
Mir ist es jahrelang so ergangen. Ich traf immer wieder auf solche
Menschen in meinem Umfeld. Ich reagierte mit Wut und sehr viel
Energie auf Posts, die von toxischen Menschen und einem toxischen
Arbeitsklima sprachen. Ich schrieb Posts dagegen. Wollte diese
Stigmatisierung einzelner Menschen nicht akzeptieren.
Und was soll ich sagen - mit großem Schrecken erkannte ich - als ich
mich damit näher auseinandersetzte, dass ich seit meiner Kindheit in
narzisstischen Dynamiken steckte und diese mit aller Kraft als
“nicht toxisch” zu beweisen versuchte. Es passte einfach nicht in
mein Selbstbild. Es bedrohte die Identität, die ich glaubte, dass
sie meine ist. Ich wollte nicht wahrhaben, was ich erlebt hatte. Und
unbewusst verstand ich, dass diese Posts etwas mit mir, dem, was ich
erlebt hatte, zu tun hatten.
Ich bekam viele Spiegel vorgesetzt, bis ich anfing, diese Wahrheit
zu akzeptieren und bereit war, mich mit meinen Schatten
auseinanderzusetzen und diese als Teil meines Selbst zu integrieren.
Das heißt, das eigene Selbstbild nimmt Anteile wieder bewusst wahr,
die es dann näher an das eigentliche Selbst bringen, so dass die
Diskrepanz zwischen beiden langsam kleiner wird.
Und jetzt wird es richtig unbequem...
Opfer oder auch Täter?
Die Opferrolle
Wenn Sie bis hierher gelesen haben, werden Sie sich vermutlich
irgendwo wiedererkannt haben oder sich fragen, warum Sie diesen
Artikel weiter gelesen haben. Es braucht dafür keine rationale
Erklärung. Denn Ihr Selbst ist damit in Resonanz gegangen und Ihr
Unterbewusstsein zeigt Ihnen eine Erklärung für Ihre Fragen, für Ihr
Verhalten, für Ihr Suchen.
Möglicherweise geht es Ihnen so, wie es mir ging. Ich sah mich als
Opfer:
-
der toxischen Vorgesetzten und der toxischen Arbeitsumgebung
- derjenigen, die mich gemobbt, ausgegrenzt, ausgenutzt haben
- der Unternehmen, die andere mir vorziehen, etc.
Mein Selbstwert nahm zusehends eine Opferrolle ein und ich erwischte
mich dabei, dass ich das tat, was ich selbst nicht mag: Die Schuld
den anderen, dem Außen zu geben. Das war sehr beschämend.
Es hat übrigens niemand behauptet, dass die eigene Schattenarbeit
schön ist. Sie ist schmutzig, dreckig und führt bis in die tiefsten
Keller des eigenen kreierten Selbstbildes. Es hat überhaupt nichts
damit zu tun, was wir an der Oberfläche allen zeigen.
Die Masken, die Rollen, die vermeintlich heile Welt.
Und Sie glauben, Sie sind die oder der Einzige, der diese Schatten
hat. Mitnichten! Aus meiner Erfahrung würde ich behaupten, dass es
einen Großteil der Menschen betreffen wird, da wir alle in unserer
Kindheit Prägungen unterlegen haben. Aber es gibt sicherlich eine
große Spannweite an Erfahrungen und Prägungen, so dass es sicherlich
auch sehr viele Menschen gibt, die sehr positive Prägungen hatten
und somit einen gesunden Selbstwert aufbauen konnten. Deren
Selbstbild wird dann kaum vom eigenen Selbst abweichen.
Aber zurück zum Opferdasein. Vielleicht kennen Sie die Gefühle von
Hilflosigkeit, Ungerechtigkeit, Machtlosigkeit, Scham? Sie
veranlassen uns, den Posts, die uns triggern, Likes und zustimmende
Kommentare zu schenken. Wir geben ihnen unsere Energie und
verstärken damit unser eigenes Erleben, da wir es immer wieder und
immer wieder bestätigen.
Ein Ausweg aus unserem Dasein ist es nicht. Wir bleiben solang in
dieser Energie, bis wir beginnen, ehrlich nach Innen zu schauen und
die Trigger als hilfreiche Aufweckhelferlein anzuerkennen.
Aber Täter sind wir doch bestimmt nicht (wir sind ja die Opfer)?
Wie Sie ja wissen, leben wir in einer dualen Welt - wo Licht ist,
ist auch Schatten. Und ja, so unschön es klingen mag. Wir alle sind
Opfer und Täter. Kein Mensch hat nur positive Seiten (auch wenn das
in den sozialen Medien einen anderen Eindruck zu machen scheint).
Wir manipulieren (teilweise so subtil, dass wir es
selbst nicht einmal merken).
„Wenn du mich wirklich lieben würdest, dann..."
Wir lügen, betrügen, faken.
„Mir geht's gut" - obwohl wir innerlich zerbrechen.
Wir spielen mit der Angst anderer.
„Wenn du das nicht machst, wird etwas Schlimmes passieren."
Wir verdrehen Tatsachen.
„Das hast du so gesagt" - dabei war es ganz anders gemeint.
Wir tratschen und lästern.
„Hast du schon gehört, was die gemacht hat?"
Wir zeigen mit Fingern auf andere.
„Die sind schuld an meiner Situation."
Wir diskriminieren.
„So jemand passt nicht in unser Team."
Wir nutzen andere Menschen aus.
„Kannst du das schnell für mich erledigen?" - immer wieder.
Wir lassen andere unsere Arbeit abnehmen, ohne sie dafür zu
entlohnen.
„Das ist doch eine gute Gelegenheit für dich, Erfahrung zu
sammeln."
Wir bedrohen und beschimpfen.
„Du bist so unfähig!"
Wir entscheiden über ihre Zukunft.
„Das schaffst du eh nicht, lass es lieber."
Wir grenzen aus und schauen weg.
„Mit dem will ich nichts zu tun haben."
Wir bewerten.
„Typisch - so wie die sich anzieht/benimmt/ausdrückt..."
Besonders das Bewerten ist etwas, das wir praktisch ununterbrochen
tun. Wir bewerten andere Menschen, Situationen, uns selbst - oft in
Sekundenbruchteilen und meist völlig unbewusst. Gut oder schlecht,
richtig oder falsch, schön oder hässlich. Und das ist zutiefst
menschlich. Unser Gehirn ist darauf programmiert, schnell zu
kategorisieren, um uns Orientierung zu geben.
Die Schattenarbeit hilft uns dabei, dieses ständige Bewerten zu
erkennen - nicht um es zu verurteilen oder abzustellen (das wäre
wieder eine Bewertung), sondern um es wahrzunehmen. Denn oft zeigt
uns gerade das, was wir an anderen bewerten, etwas über unsere
eigenen verborgenen Anteile. Die Frage ist nicht, ob wir bewerten,
sondern: Was verrät diese Bewertung über mich selbst?
Die Liste könnte noch viel länger sein. Und Posts, die genau diese
Verhaltensweisen anprangern, nutzen sie dabei oft selbst. Wer
schreibt „Mit 50+ bekommst du keinen Job mehr" – ob als direkte
Warnung oder als Anklage gegen Arbeitgeber – spielt mit der Angst
der Lesenden. Wer verkündet „Toxische Führungskräfte zerstören
Teams" zeigt mit dem Finger auf andere und bewertet. Der Algorithmus
verstärkt genau diese Inhalte massiv, weil so viele Menschen darauf
reagieren. Nicht weil sie immer besonders wertvoll sind, sondern
weil sie das Opfer in uns triggern – und wo viel emotionale Reaktion
ist, gibt der Algorithmus mehr Reichweite.
Und warum reagieren wir emotional darauf? Weil es uns triggert. Wir
projizieren etwas in diese Posts. Wir geben Ihnen Energie,
Aufmerksamkeit, weil es in uns etwas anspricht - ob bewusst oder
unbewusst. Ist das schlecht? Nein, nicht grundsätzlich. Es kommt
darauf an, was es mit uns macht. Ob es uns Angst einjagt, ob es uns
nicht schlafen lässt, ob es uns in die Anpassung und die Konformität
treibt, die uns soviel Energie kostet, dass wir psychisch krank
werden.
Und ich spreche mich davon nicht frei. Was mich aber auf meiner
Suche nach Antworten sehr fasziniert hat, ist die Beobachtung, dass
wir viele dieser Verhaltensweise unbewusst aus einem Muster heraus
abspielen. Es gibt natürlich auch Menschen, die sehr bewusst diese
Macht-Mittel nutzen, um sich andere Menschen gefügig zu machen, sie
zu manipulieren, sie zum Kauf eines Produktes zu animieren, etc.
Häufig scheinen aber unsere Überlebensmechanismen zu greifen, die
uns schützen sollen. Sie stehen vor den tief vergrabenen Anteilen,
die sich schon in frühester Kindheit von unserem Selbst abgespalten
haben und nicht mehr in unser Selbstbild passen. Sobald wir uns
bedroht fühlen oder (unbewusst) merken, dass es an Themen geht, die
unserer inneren, vergrabenen Wahrheit zu nahe kommen, gehen wir in
die Verteidigung, in die Flucht, in die Erstarrung oder in die
Unterwerfung.
Wir nutzen diese “Täter-Mittel”, um uns zu schützen, um keine neuen
Verletzungen unseres Selbstbildes zu erleiden oder zugeben zu
müssen, dass die Gefühle, die wir wahrnehmen, unserem abgetrennten
Selbst gehören.
Wie wir früh gelernt haben. Zu einem Konflikt gehören immer zwei.
Und es ist dabei egal, ob es sich um einen inneren oder äußeren
Konflikt handelt. Wir sind immer Teil der Situation, die sich uns
zeigt. Unbewusst haben wir sie mit erschaffen – mit unserem Denken,
unserem Handeln, mit unserer Reaktion (auch non-verbal), mit unseren
ausgestrahlten Gefühlen. Vor allem aber mit unseren nicht
angesehenen Schatten und unseren abgespaltenen Anteilen.
An dieser Stelle werden Sie sich vielleicht fragen: Wenn wir alle
diese Mittel nutzen – können wir dann überhaupt anders?
Können wir überhaupt anders agieren und kommunizieren?
Eine berechtigte Frage, die ich mir selbst stelle. Schauen Sie sich
meinen letzten Post an – auch dort finden sich Elemente dieser
Liste. Ich spreche Ängste an („immer wieder erschöpft"), ich bewerte
(„Affirmationen reichen nicht"), ich nutze einen Call-to-Action, der
subtilen Druck aufbaut.
Die unbequeme Wahrheit: Wir können vermutlich nicht vollständig
anders kommunizieren. Zumindest nicht in einer Welt, die nach diesen
Regeln funktioniert. Bewerten ist eine grundlegende menschliche
Funktion – unser Gehirn tut es automatisch, um uns zu schützen und
zu orientieren. Im Social-Media-Bereich bedeutet das aber auch: Der
Algorithmus belohnt Emotionen, Reaktionen, Engagement. Er nutzt
unsere Verletzlichkeiten, Schatten und Ängste, weil wir dann
besonders viel interagieren und auf der Plattform bleiben.
Aber – und das ist der entscheidende Unterschied – wir können uns
dessen bewusst werden - im Privatleben, im Beruf und auch auf Social
Media. Wir können uns fragen:
- Nutze ich diese Mittel bewusst und mit Bedacht?
-
Ist es meine Absicht, Menschen zu manipulieren oder ehrlich zu
informieren?
-
Spiele ich mit unbewussten Ängsten oder teile ich eigene
Erfahrungen?
-
Will ich triggern (Scroll-Stopper) oder Bewusstsein schaffen?
Der Unterschied liegt nicht darin, OB wir diese Mittel nutzen,
sondern WIE und WARUM. Authentische Kommunikation bedeutet nicht
perfekt zu sein, sondern ehrlich mit den eigenen Schattenseiten
umzugehen – auch in der Art, wie wir kommunizieren. Sprich: Bewusst
zu kommunizieren und zu agieren.
Und vielleicht ist genau das der Weg: Nicht zu versuchen, makellos
zu kommunizieren, sondern transparent zu machen, dass auch wir Teil
dieses Systems sind. Dass auch wir diese Muster nutzen. Und dass wir
bereit sind, das zu reflektieren.
Der Algorithmus als Spiegel – und was nun?
Der Algorithmus ist nicht Ihr Feind. Er ist ein moderner Spiegel,
der Ihnen zeigt, was in Ihnen bereits vorhanden ist.
Die Frage ist nicht: „Warum zeigt mir der Algorithmus diese
schrecklichen Dinge?"
Die Frage ist: „Was in mir zieht diese Inhalte an – und was will
gesehen werden?"
Ja, es gibt toxische Arbeitsumgebungen. Ja, es gibt
Altersdiskriminierung. Ja, es gibt ungerechte Systeme.
Aber: Wenn Sie immer wieder in dieselben Muster
geraten, wenn Sie sich immer wieder getriggert fühlen, wenn Sie
immer wieder in die Opferrolle fallen – dann ist das nicht Zufall.
Dann ruft etwas in Ihnen nach Aufmerksamkeit.
Die gute Nachricht: Sobald Sie beginnen, Ihre
Schatten zu integrieren, verlieren die Trigger ihre Macht. Die Posts
sind immer noch da – aber sie lösen nichts mehr aus. Sie scrollen
einfach weiter.
Die unbequeme Wahrheit: Niemand kann diese Arbeit
für Sie tun. Kein Coach, kein Therapeut, kein Ratgeber. Sie können,
im optimalen Fall nur den Raum halten, begleiten, spiegeln.
Die Antworten liegen in Ihnen selbst.
Und der erste Schritt? Hinschauen. Ehrlich. Mutig. Mit
Selbstmitgefühl.
Erkennen Sie sich darin wieder?
Wenn Sie immer wieder in ähnliche Konflikte geraten – im Job, im
Team, mit Vorgesetzten – dann sind das keine Zufälle. Es sind
Muster, die gesehen werden wollen.
Der erste Schritt: Hinschauen.
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Selbstbeobachtungs-Übung – um zu erkennen, welche Muster Sie
erschöpfen.
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