Einleitung
Letzte Woche fragte mich ein Unternehmer: "Wie kann ich herausfinden, ob die Krankheitsausfälle in meinem Unternehmen im normalen Bereich sind? Was ist eigentlich "normal"?" Seine Ehrlichkeit überraschte mich: "Ich weiß nicht mal, wie hoch unser Krankenstand ist. Ich merke nur: Montag fehlt Peter, Dienstag Anna, Mittwoch wieder jemand..." Im Gespräch kam heraus, dass sie schon früher "keine Auswertung gemacht haben", aber seit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ("eAU") bestehe gefühlt gar kein Überblick mehr, wer wie lange und wie oft krankgemeldet sei. Er hat das Gefühl, dass selbst seine Personalabteilung mit den Abläufen überfordert sei und alles viel aufwendiger geworden sei. Aber ihm ist klar geworden, dass er - um etwas im Unternehmen zu verbessern - einen klaren Anhaltspunkt benötigt.
Kennen Sie das auch?
Die meisten Geschäftsführer und Führungskräfte arbeiten mit Bauchgefühl: 'Gefühlt sind ständig Leute krank.' Aber Zahlen? Fehlanzeige. Das Problem: Ohne Zahlen kein Problembewusstsein. Ohne Problembewusstsein keine echte Lösung oder teure Investments in BGM-Maßnahmen, die das eigentliche Problem aber nicht lösen (können). Wie aber kommen Sie nun an verlässliche Daten? Was Sie in diesem Artikel erfahren:
- Wie Sie die Krankenquote richtig berechnen
- Warum die eAU alles komplizierter gemacht hat
- Welche Probleme bei verschiedenen Lohnabrechner-Modellen auftreten
- Praktische Tipps für besseren Überblick
Berechnung der Krankenquote kurz erklärt
Für die Krankenquote benötigen Sie
- die Anzahl der Mitarbeitende
- die Sollarbeitstage pro Mitarbeitenden
- die Anzahl der Krankheitstage
Anzahl der Mitarbeitenden
Das ist der leichteste Schritt: Sie nehmen einfach die Anzahl aller Menschen im Unternehmen. Das Arbeitszeitmodell ist hier - im Gegensatz zum sog. Headcount - uninteressant. Beispiel: 25 Mitarbeitende (inkl. Geschäftsführer, Führungskräfte und dem Team)
Sollarbeitstage pro Mitarbeitenden
Hier wird es schon etwas aufwendiger, denn die Sollarbeitstage hängen von der Anzahl der Tage ab, die im Monat vertraglich gearbeitet werden.
Vollzeitkraft mit 5 Tagen pro Woche
Beispiel:
5 Arbeitstage => 52 Woche * 5 Arbeitstage = 260 Sollarbeitstage - Feiertage oder vom Betrieb gewährte zusätzlich freie Tage.
Einfacher ist, wenn man sich die Sollarbeitstage pro Monat heranzieht und ggf. noch die betrieblich gewährten zusätzlichen Tage abzieht (wie z.B. Rosenmontag).
(bei 22 Arbeitstagen im Januar und 25 Mitarbeitern = 550 Soll-Arbeitstage im Monat)

Teilzeitkraft mit 5 Tage-Woche
Wichtig zu beachten ist allerdings:Arbeitet ein Mitarbeiter nur 3 Tage die Woche reduzieren sich entsprechend auch die Sollarbeitstage.
Stellen Sie sich vor, jemand arbeitet immer montags, mittwochs und freitags (= 3-Tage-Woche). Der Monat hat 22 Arbeitstage bei einer 5-Tage-Woche. Aber:
- Hat der Monat5 Montage, 5 Mittwoche und 5 Freitage? → Dann hat diese Person 15 Soll-Tage
- Hat der Monat nur 4 Montage, 4 Mittwoche, 4 Freitage? → Dann sind es nur 12 Soll-Tage
- Fällt z. B. ein Feiertag auf einen der Arbeitstage?→ Dann reduziert sich das nochmal
Um die Quote also in diesem Fall korrekt ausrechnen zu können, muss man exakt herausfinden, wieviele Sollarbeitstage in diesem Arbeitszeitmodell pro Monat zustande kommen.
MEIN TIPP:Wenn Sie kein Programm dafür haben, dann nehmen Sie sich am Anfang des Jahres einmal Zeit und holen Sie sich die Sollarbeitstage bei einer 5 Tage-Woche aus dem Internet. Dann identifzieren Sie die abweichenden "Tage-Modelle" und prüfen pro Fall jeden Monat durch und notieren sich die Sollarbeitstage pro Mitarbeiter. Dieser vermeintliche Aufwand zahlt sich aus.
Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kurz erklärt
Hier kommt jetzt das große Dilemma der Digitalisierung. Sie benötigen für die Berechnung der Krankenquote die Krankheitstage pro Mitarbeitenden.
Wie funktioniert die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung?
- Ihr Mitarbeiter geht zum Arzt.
- Er ruft irgendwo im Unternehmen an (erreicht vielleicht nicht die korrekte Ansprechperson) und hinterlässt die Nachricht, dass er nicht kommt. Normalerweise muss er auch die voraussichtliche Dauer mitteilen. (Es kann aber passieren, dass dies vergessen oder nicht abgefragt wurde.)
- Der Arzt hat in der Zwischenzeit die eAU an die Krankenkasse übersandt.
- Sie bekommen keinen sog. "gelben Schein" mehr, in dem Sie früher genau sehen konnten, von wann bis wann der Mitarbeiter krank geschrieben wurde und mit dem Sie einen direkten Eintrag in Ihr Zeiterfassungs-Tool machen konnten.
- Die erste Frage: Wie lange ist Ihr Mitarbeiter nun krankgeschrieben (wenn er es mitgeteilt hat, wäre diese Frage zumindest geklärt).
- Jetzt haben Sie als Arbeitgeber die Verpflichtung, die Krankschreibung per "Pull-Prinzip" AKTIV von den Krankenkassen und zwar PRO krankgeschriebenen Mitarbeiter für JEDEN Krankenheitszeitraum abzurufen. (Sie bekommen diese nicht mehr automatisch.)
- Das geht erst einen Tag nach dem Ablauf der Attest-Pflicht (in der Regel am 4. Tag der Erkrankung)
- Meldet sich der Mitarbeiter weiterhin krank, bekommen Sie keine Meldung von der Krankenkasse, sondern müssen erneut AKTIV die Krankschreibung bei der Krankenkasse "abholen".
Zunächst die Frage: Wer macht Ihre Lohnabrechnung?
- Viele Unternehmen lassen die Lohnabrechnung von Ihrem Steuerberater machen.
- Andere haben einen externen Lohndienstleister.
- Und wieder andere machen ihre Lohnbuchhaltung selbst.
Kommen wir jetzt zu den Tücken pro Einzelfall.
Probleme, die auftreten können, wenn der Steuerberater Ihre Lohnabrechnung macht
Problem 1: Nachricht kommt nicht an und Krankschreibung wird nicht abgerufen (Lohnfortzahlungsende wird nicht bemerkt)
Da Sie als Arbeitgeber die Krankmeldung Ihres Mitarbeiters erhalten, müssen Sie dafür Sorge tragen, dass der Steuerberater diese Information erhält und, dass sein Prozess dafür sorgt, dass die Krankschreibung über das Lohnprogramm bei der Krankenkasse abgerufen wird. Dabei muss darauf geachtet werden, dass sowohl die Krankentage OHNE Krankschreibung gemeldet werden, als auch evtl. Folgeerkrankungen.
Werden die Daten nicht zeitnah abgerufen, fällt im schlimmsten Falle keinem auf, dass der Mitarbeiter schon längst aus der Lohnfortzahlung gefallen ist (sofern er mit einer Diagnose die 42 Tage überschreitet).
Problem 2: Steuerberater erheben im Normalfall keine Statistik
Wenn Sie aus Ihrem Unternehmen die Informationen zwar weiterleiten, aber selbst nirgends erfassen und Ihr Zeiterfassungssystem (sofern Sie überhaupt ein digitales System haben) diese Pflege nicht zulässt, dann bekommen Sie auch nirgends die Zahlen her. Denn der Steuerberater führt für Sie im Normalfall keine Auswertung.
Das Ergebnis: Sie haben KEINEN Überblick, was in Ihrem Unternehmen wirklich abgeht.
MEIN TIPP:Es gibt hervorragende digitale, auch kostengünstige Alternativen, wie man diese Zahlen gut erheben kann, um sie monatlich auszuwerten. Definieren Sie die genauen Prozesse, die notwendig sind, damit alles reibungslos läuft. Achten Sie darauf, dass Ihre vorbereitende Lohnbuchhaltung auch einen Überblick hat, um zu erkennen, falls bei Steuerberater Daten nicht abgerufen wurden (ich habe es persönlich erlebt, dass Steuerberater die Daten nicht vollständig hatten).
Probleme, die auftreten können, wenn ein Lohnabrechner Ihre Lohnabrechnung macht
Als ich vorbereitende Lohnbuchhaltung in Zusammenarbeit mit einem Lohnabrechner gemacht habe, was das Ganze zwar damals noch mit "gelben Schein", aber trotzdem etwas einfacher. Aber auch hier kommt es auf die Sorgfalt und die Übersicht der vorbereitenden Lohnbuchhaltung an.
Das Problem ist, dass die Krankschreibung erst mit Verzug bei der Krankenkasse abgerufen werden kann. Existiert hier keine digitale Zeiterfassung, wo man die Tage direkt führen kann, kann auch hier schnell der Überblick verloren gehen.
Wir haben damals nicht ausgewertet. Mich hätte es nicht überrascht, wenn die Krankenquote jenseits von gut und böse gewesen wäre.
MEIN TIPP: Überlassen Sie Ihr Unternehmen nicht dem Schicksal. Im Zweifelsfall ermitteln Sie ohnehin einige Kennzahlen, dann kommt es auf diese nicht mehr an. Sie ist wichtiger als häufig angenommen und kann mit dem richtigen Ansatz auch wieder reduziert werden. Aber wer nicht weiß, wo er steht, kann auch nicht rechtzeitig handeln.
Probleme, die auftreten können, wenn die Lohnabrechnung in house gemacht wird
Hier muss ich gestehen, habe ich keine validen Informationen, weil ich es nicht persönlich erlebt habe. Ich würde vermuten, wenn die Prozesse und die digitalen Tools stimmig sind, dürfte es aus meiner Sicht hier am wenigsten Reibungsverluste geben.
Fazit
Sie sehen: Die eAU hat die Krankenquoten-Berechnung deutlich komplexer gemacht. Aber nur mit verlässlichen Zahlen können Sie gezielt gegensteuern und teure, häufig nicht zweckmäßige BGM-Investments (sie reduzieren nicht ihre Krankenquote! - dazu mehr in meinen Posts und in weiteren Artikeln) vermeiden.
